Der Brevet - Ein Epos in vier Akten



Graue, geschlossene Wolkendecke, Nieselregen, Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt und als Sahnehäubchen kalter Wind. Ein guter Tag für Smooth Jazz, einen guten Kaffee und meinen Laptop voller Erinnerungen.

Im April 2023 fuhr ich gemeinsam mit Freunden einen Brevet des "Audax Randonneurs Allemagne (ARA) Dresden" (für die, die nicht wissen was ein Brevet ist, findet sich am Ende des Textes eine Erläuterung). 

ARA-Dresden wurde von einem guten Freund ins Leben gerufen. Er sagte mir einmal: Er möchte etwas von dem zurückgeben, was er selbst erleben durfte. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Der wunderschöne Brevet führte er über eine Distanz von 303 Kilometern mit insgesamt 5,366 Höhenmetern. Als meinen persönlichen Dank schrieb ich über das, was ich erleben durfte, einen Epos in vier Akten ;-)  


Der Brevet

 Ein Epos in vier Akten

von Arno Burgi

1. Akt

Die Herausforderung

Seht her, ihr Mutigen. Dort steht es geschrieben. Dreihundert, die sollt ihr kriegen. Versammelt am Ort des Heiligen Oval, erwartet auch viel, vor allem Qual. Der Lohn soll euch Ruhm und Ehre sein, für die, die alles Leid bestehen. Nun zieht hinaus in den dunklen Wald, der nach euch greift mit großer Gewalt. Ruhm und Ehre soll es in euren Ohren schallen, Ruhm und Ehre.

2. Akt

Der Übermut

Dort stürmt er mit, dem Wald entgegen. Der Greis der glaubt ein Jüngling zu sein. Umgeben von den Tapfersten leidet er. Geschützt in ihrem Schatten, spürt er die Gefahr in seinem Nacken. Wie soll dies alles enden, wenn seine Oberschenkel jetzt schon brennen. Jahre der vielen, sind nur ein Wort und zählen nicht an diesem Ort. Ruhm und Ehre noch ein weiteres Mal. Des Greisen Wunsch, vielleicht doch Unvernunft?

3. Akt

Der Tod

Hundert Kilometer an der Zahl, dort fand das Leiden seinen Anfang und die Berge ihren Fuß. Wände, nicht Berge taten sich ihm auf, immer nur hinauf. Im dunklen Wald da litt er. Qualvoll lange und tief ging er wie schon so oft zuvor. Der Teufel auf der Schulter sitzend, schrie ihm ins Ohr: „Nun halt doch inne, nur einen Moment. Ich nehme dir die Qual, das was in dir brennt.“ Der Greis, er kannte des Teufels Preis. Verdammt in alle Ewigkeit bist du. Nimm meinen Schweiß als deinen Preis. Und siehe dort. Dort, ist es nicht der Gipfel und dort? Ist es nicht das Gasthaus mit dem Zaubertrank? Dank soll dem süßen Zucker sein und einen Tost dem Zaubertrank.

4.Akt

Die Auferstehung

Beflügelt durch die Zahl. Zweihundert Kilometer, bald hat das Leiden, all die Qual, eine Ende dort tief unten im Tal. So spürt der Greis den Zaubertrank in seinen Adern, Fasern, seinen Muskeln. Macht ihn stark, nicht länger krank. Nun singen die Engel ihm ein Lied: Fahr alter Greis, fahr immer fort dem Ziel entgegen. Dein Freund ist die Erfahrung. An deiner Seite soll sie sein. Sie wird dich leiten und dich begleiten.“ So träumt er von dem Ziel, dem heiligen Oval. Dort findet es sich, das Ende dieser Qual. Seht, hier steht sie in der Dunkelheit. Die große Liebe, vorbei ist all das Leid. Ein Kuss dem Mutigen. Dir soll Ruhm und Ehre sein. Nun Speisen und Trank und Wunden lecken. Erzählt mir von euren Heldentaten. Von Teufeln und von Engeln. Von Ruhm und Ehre.


Epilog

Im Buddhismus heißt es „Lernen durch Leiden“ Ich stimme dem voll zu. Heute habe ich einmal mehr gelitten und gelernt. Bin emotional durch tiefe Täler gegangen, habe gleichzeitig Kraft und sogar Freude verspürt. Es ist die Leichtigkeit der Anderen, die mich oft an mir selbst zweifeln lässt. Ich kämpfe, sie fliegen. Ich leide und sie? Ist es so? Ich weiß es nicht. Jedenfalls sieht es spielerisch leicht aus, was ich um mich herum sehe. Was habe ich heute gelernt? Das ich immer nach vorne blicke und selten zurück. Ich sehe die, denen ich nicht folgen kann, sehe jedoch nicht die, die nicht mir folgen können. Ich sehe meine fast sechzig Jahre, doch akzeptiere sie nicht. Beides ist gut so wie es ist und zurück schauen auch. Ich halte es wie Albert Schweitzer, der "Jugend" einmal sehr treffend beschrieben hat.

Jugend ist nicht ein Lebensabschnitt, sie ist ein Geisteszustand.

Sie ist Schwung des Willens, Regsamkeit der Phantasie,

Stärke der Gefühle, Sieg des Mutes über die Feigheit,

Triumph der Abenteuerlust über die Trägheit.

Niemand wird alt, weil er eine Anzahl Jahre hinter sich gebracht hat.

Man wird nur alt, wenn man seinen Idealen

Lebewohl sagt. Mit den Jahren runzelt die Haut,

mit dem Verzicht auf Begeisterung aber runzelt die Seele.

Sorgen, Zweifel, Mangel an Selbstvertrauen,

Angst und Hoffnungslosigkeit, das sind die langen, langen

Jahre, die das Haupt zur Erde ziehen und den aufrechten

Geist in den Staub beugen. Ob siebzig oder siebzehn,

das erhebende Staunen beim Anblick der ewigen Sterne

und der ewigen Gedanken und Dinge, das furchtlose Wagnis,

die unersättliche kindliche Spannung,

was der nächste Tag bringen möge,

die ausgelassene Freude und Lebenslust.

Du bist so jung wie deine Zuversicht,

so alt wie deine Zweifel,

so jung wie deine Hoffnung,

so alt wie deine Verzagtheit.

Solange die Botschaften der Schönheit,

Freude, Kühnheit, Größe, Macht von der Erde,

den Menschen und dem Unendlichen

dein Herz erreichen, solange bist Du jung.

Erst wenn die Flügel nach unten hängen 

und das Innere deines Herzens vom Schnee des Pessimismus

und vom Eis des Zynismus bedeckt sind,

dann erst bist du wahrhaft alt geworden.


Erläuterung: 

Ein Radbrevet ist eine Art von Langstrecken-Radfahrveranstaltung, die Radfahrern die Möglichkeit bietet, eine bestimmte Distanz innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens zu bewältigen. Dieses Ereignis ist oft nicht als Wettbewerb konzipiert, sondern vielmehr als persönliche Herausforderung für die Teilnehmer. Der Fokus liegt auf der individuellen Leistung und dem Absolvieren der vorgegebenen Strecke.

Typischerweise sind Radbrevets Teil des sogenannten Audax-Radsport, der auf Langstreckenradsport und Ausdauer abzielt. Das Audax-Radfahren, auch als Langstreckenradsport bekannt, betont das gemeinschaftliche Erlebnis, die Selbstüberwindung und die Vollendung der festgelegten Strecke. Radbrevets haben normalerweise feste Kontrollpunkte, an denen die Teilnehmer ihre Fahrkarten abstempeln lassen müssen, um ihre Teilnahme zu bestätigen und ihre zurückgelegte Strecke zu dokumentieren.

Die Distanzen bei Radbrevets können variieren, und typische Streckenlängen reichen von 100 Kilometern bis zu mehreren Hundert Kilometern. Einige der bekanntesten Langstreckenveranstaltungen, wie beispielsweise "Paris-Brest-Paris", sind als Brevets organisiert. 

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