Die Bananenplantage - The banana plantation


english version below

Einst lebte ein Mann zusammen mit seiner Frau auf einem kleinen Hügel inmitten einer riesigen Bananenplantage im Norden Brasiliens. Die beiden führten ein einfaches Leben, dennoch erfreuten sie sich jeden Tag an den kleinen Dingen des Lebens. 

Ihre Hütte war nicht größer als manche Garage in der hiesigen Welt. Die Hütte hatte keine Fenster, wozu auch, denn es war immer sehr warm im Norden Brasiliens. Sie besaßen zwei Stühle, einen Tisch, ein Bett, eine Kochgelegenheit und auf der Veranda standen zwei alte Sessel. Das war alles, was sie zum Leben brauchten. Das Wichtigste in ihrem Leben hatten sie schon Jahre zuvor gefunden: sich. Sie liebten sich aus tiefstem Herzen und jeden Morgen, wenn sie erwachten, spürten beide die Liebe zueinander in ihren Herzen. Am Abend saßen sie vor der Hütte, schauten in den Sternenhimmel und den Sternschnuppen nach, hielten sich an der Hand und wünschten sich nichts mehr, als dass alles so bleiben möge, wie es war.

So machten sie tagaus, tagein ihre Arbeit, pflegten die Bananenstauden und lieferten die fast reifen Bananen an dem Platz ab, an dem sie sie schon immer abgeliefert hatten, wenn es denn soweit war. Im Gegenzug für die Bananen erhielten sie Lebensmittel und ein paar Dinge, die sie zum Leben benötigten. Mal eine Haarbürste oder ein neues Rasiermesser. Eine Angelschnur für den Fischfang am Meer oder ein neues Messer.

Sie lebten glücklich in einer kleinen Hütte auf einem kleinen Hügel inmitten einer riesigen Bananenplantage.

Eines Tages, als es wieder an der Zeit war, die fast reifen Bananen abzuliefern, trafen sie am Umschlagplatz ein, überreichten ihre gesammelten Bananen und erhielten wie immer Lebensmittel und ein paar Kleinigkeiten dafür. Ihr Geschäftspartner sagte: „Wir kennen uns jetzt schon so lange, und ihr habt mir immer wunderbare Bananen geliefert. Ich möchte mich heute einmal anders dafür bedanken.“ Dabei hob er ruckartig eine Plane hoch, die auf der Ladefläche des LKWs lag. Zum Vorschein kamen ein Fernseher und eine Satellitenschüssel. „Ich möchte euch diesen Fernseher als Zeichen meiner Dankbarkeit schenken. So könnt ihr am Abend nach der Arbeit gemeinsam Fernsehen schauen und eine schöne Zeit miteinander verbringen.“

Sie wussten nicht so recht, was sie dazu sagen sollten. Sie hatten noch nie in ihrem Leben einen Fernseher besessen, hatten aber schon von Fernsehern gehört. Sie wollten ihren alten Freund nicht kränken, und so bedankten sie sich und luden alles auf ihren Karren, um nach Hause zu fahren.

Sie stellten den Fernseher in die Stube und beachteten ihn in den nächsten Wochen zunächst gar nicht. Eines Tages jedoch fragten sie sich, was wohl so drin wäre in einem Fernseher. Sie befestigten die Satellitenschüssel auf dem Dach, so wie es ihr Geschäftspartner erklärt hatte, schlossen den Fernseher an und setzten sich mit ihren beiden Stühlen vor den noch schwarzen Bildschirm. Sie schauten sich an, als würde einer den anderen fragen: Wollen wir das wirklich?

Die Neugier brachte sie nach einer Weile dazu, den Fernseher einzuschalten. Ihre Augen weiteten sich beim ersten Blick auf Bilder, die sie zuvor nie gesehen hatten. Sie sahen Bilder einer anderen Welt, als würden sie selbst auf einem Planeten weit ab von dieser Welt leben. Frauen und Männer, Menschen mit großen Autos, Autos, die einer Schlange gleichend, durch tiefe Schluchten fuhren. Links und rechts hohe Gebäude, tausendfach größer als der höchste Baum ihres Urwaldes. Häuser, die größer waren als ihre eigene Hütte. Bilder aus fernen Ländern, Bilder von Kriegen, sterbenden Menschen – so vieles, was sie zuvor noch nie in ihrem Leben gesehen hatten.

Sie saßen eine Weile wie erstarrt vor dem Fernseher, bis sie diesen wieder ausschalteten.

An diesem Abend saßen sie wieder auf der Veranda vor ihrer Hütte, aber sie schauten nicht in den Sternenhimmel, und sie hielten sich nicht an den Händen. Zuerst redeten sie kaum, dann über das, was sie gesehen hatten. Was ist das für eine Welt da draußen, fragten sie sich? Wo ist die Welt da draußen? Wo sind wir?

In den kommenden Tagen verbrachten sie die Tage wie immer. Sie wachten gemeinsam auf und schliefen gemeinsam ein. Sie pflegten die Bananenstauden, aßen zusammen, und alles war wie immer. Fast wie immer. Der Fernseher stand an seinem Platz und wurde seit dem Tag, an dem sie ihn das erste Mal eingeschaltet hatten, nicht ein weiteres Mal eingeschaltet.

Doch etwas war anders.

Eine innere Unruhe trugen sie seit dem Tag, an dem der Fernseher in ihr Haus gezogen war und sie ihn eingeschaltet hatten, in sich. Sie dachten über Dinge nach, über die sie früher nie nachgedacht hatten. Über Dinge, von denen sie zuvor noch nicht einmal etwas gewusst hatten. Als hätte ein Virus zuerst ihre Hütte und dann ihre Köpfe befallen.

Immer wieder dachten sie über das nach, was sie gesehen hatten, und es ließ sich nicht mehr aus ihren Köpfen vertreiben. Mit der Zeit wurde es sogar schlimmer, und sie suchten nach Antworten auf ihre Fragen.

So kam es, dass sie wieder die Stühle vor den Fernseher stellten und ihn wieder einschalteten.

Diesmal saßen sie viel länger vor dem Fernseher und sahen nicht nur die Bilder, sie hörten auch hin, was gesprochen wurde. Menschen in schicken Anzügen sprachen über Katastrophen, Bedrohungen, Gefahren und Kriege. Hübsche Frauen sagten das Wetter voraus.

Kurz darauf sahen sie Menschen, die viel mehr besaßen als sie selbst. Diese Menschen waren hübsch, trugen feine Kleider, aßen köstliche Speisen, fuhren nicht nur in großen Autos, sondern flogen auch in Flugzeugen. Einige reisten mit riesigen Schiffen über den Ozean.

Nach einer viel längeren Zeit vor dem Fernseher schalteten sie diesen wieder aus. Es war spät geworden, zu spät, um sich auf die Veranda zu setzen und sich an den Händen zu halten und die Sterne am Himmel zu beobachten.

Ihre Nächte waren anders geworden. Früher schliefen sie tief und fest, jetzt träumten sie von dem, was sie gesehen hatten.

Sie standen morgens auf und redeten über das, was sie am Abend zuvor im Fernseher gesehen hatten. Während der Arbeit dachte die Frau viel an die wunderschönen Frauen, die nie arbeiten mussten wie sie. Sie betrachtete ihre Hände, die von der schweren Arbeit gezeichnet waren, und verglich sie mit den Händen der Frauen, die sie im Fernseher gesehen hatte. Plötzlich schämte sie sich für ihre Hände.

Der Mann dachte ebenfalls über das nach, was er im Fernseher gesehen hatte. Über die Männer, die diese wunderschönen Frauen an ihrer Seite hatten, in großen Autos fuhren und nicht wie er Bananenpflanzen beschnitten. Plötzlich machte ihm seine Arbeit keinen Spaß mehr.

Beim Essen saßen sie zusammen, als plötzlich der Satz ausgesprochen wurde, der seit Tagen wie eine Wolke über der Hütte schwebte:

„Die Welt ist ungerecht. Schau uns an. Seit Jahren sitzen wir hier in einer Hütte auf einem kleinen Hügel inmitten einer riesigen Bananenplantage und schuften ein Leben lang für was? Schau dir doch die anderen an! Wie gut es ihnen geht, was sie alles haben. Schau, was wir haben…“

Am Abend betrachtete er seine Frau und sah zugleich die Frauen, die er im Fernsehen gesehen hatte, und dachte, dass sie doch viel hübscher seien als seine eigene Frau.

So schliefen sie ein, sie schliefen schlecht, träumten schlecht, dachten viel nach.

Mittlerweile verbrachten sie jeden Abend vor dem Fernseher. Sie sahen immer wieder das Gleiche. Abend für Abend, dann sogar am Tag, und irgendwann wurde der Fernseher nur noch nachts ausgeschaltet, wenn sie müde ins Bett gingen. Es wurde viel berichtet und geredet in diesem Gerät. Kluge Menschen sprachen über alles Mögliche. Das Paar stritt sich hinterher darüber, weil jeder eine andere Meinung vertrat. Sie schauten Filme über reiche Menschen, über arme Menschen, über ferne Welten, über andere Galaxien, über außerirdische Wesen, Kriege in der Welt da draußen, sogar Kriege in anderen Galaxien.

Sie sahen so viele Dinge, die sie nicht besaßen, die sie kaufen könnten, sahen wunderschöne Filme über die Natur und andere, in denen die Natur zerstört wurde. Je mehr sie sahen, desto unzufriedener und verwirrter wurden sie.

Sie wollten Teil dieser Welt sein, etwas davon abbekommen, auch so leben. Sie hatten Angst, dass ein Krieg vielleicht auch zu ihnen kommen könnte. Sie dachten über ihren langjährigen Geschäftspartner nach, der sie immer betrogen haben muss, denn ihre Bananen waren viel mehr wert, als das, was er ihnen gegeben hatte. Sie dachten an die Bulldozer, die Wälder abholzten, um riesige Flächen zu erschaffen, damit dort Mais und Palmöl angebaut werden konnte. Sie dachten an Atomkraft, Windkraft, Autos, schöne Frauen und schöne Männer, an Sex, dachten über alles nach, über das sie zuvor nie nachgedacht hatten.

Ihr Kopf war so voll wie nie zuvor.

Ihr Herz war voller Neid und Wut, und die Liebe fand keinen Platz mehr in ihren Herzen.

Sie stritten sich, die Veranda verwaiste.

Eines Tages...

Wie die Geschichte weiter geht entscheidest du


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The banana plantation

Once upon a time, a man lived with his wife on a small hill in the middle of a huge banana plantation in northern Brazil. The couple led a simple life, yet they enjoyed the little things in life every day. 

Their hut was no bigger than some garages in the local world. The hut had no windows, but why should it, as it was always very warm in the north of Brazil. They had two chairs, a table, a bed, cooking facilities and two old armchairs on the veranda. That was all they needed to live. They had already found the most important thing in their lives years before: each other. They loved each other from the bottom of their hearts and every morning when they woke up, they both felt the love for each other in their hearts. In the evening, they sat in front of the hut, looked up at the stars and the shooting stars, held hands and wished for nothing more than for everything to stay the way it was.

So they went about their work day in, day out, tending to the banana plants and delivering the almost ripe bananas to the place where they had always delivered them when the time came. In return for the bananas, they received food and a few things they needed to live. Sometimes a hairbrush or a new razor. A fishing line for catching fish at sea or a new knife.

So they lived happily in a small hut on a small hill in the middle of a huge banana plantation.

One day, when it was time to deliver the almost ripe bananas again, they arrived at the transshipment point, handed over the bananas they had collected and, as always, received food and a few little things in return. Their business partner said: "We have known each other for so long now and you have always delivered wonderful bananas to me. I would like to thank you in a different way today." He jerkily lifted up a tarpaulin that was lying on the loading area of the truck. It revealed a television and a satellite dish. "I would like to give you this television as a token of my gratitude. So you can watch TV together in the evening after work and spend some quality time together."

They didn't really know what to say. They had never owned a television in their lives, but they had heard of televisions. They didn't want to offend their old friend, so they thanked him and loaded everything onto their cart to go home.

They put the TV in the living room and didn't pay any attention to it for the next few weeks. One day, however, they wondered what was inside a television. They mounted the satellite dish on the roof, just as their business partner had explained, connected the TV and sat down with their two chairs in front of the still black screen. They looked at each other as if one was asking the other: Do we really want this?

After a while, curiosity led them to switch on the TV.

Their eyes widened at the first glimpse of images they had never seen before.They saw images of another world, as if they themselves were living on a planet far removed from this world.Women and men, people with large cars, cars that drove through deep gorges like a snake.Tall buildings to the left and right, a thousand times taller than the tallest tree in their jungle.Houses that were bigger than their own huts.Images from distant lands, images of wars, dying people - so many things they had never seen before in their lives.They sat frozen in front of the TV for a while until they switched it off again.

That evening, they sat on the veranda in front of their hut again, but they didn't look up at the stars and they didn't hold hands.At first they barely talked, then about what they had seen. What kind of world is it out there, they asked themselves?Where is the world out there?Where are we?

Over the next few days, they spent the days as usual. They woke up together and went to sleep together. They tended the banana plants, ate together, and everything was as usual. Almost as usual. The TV was in its place and had not been switched on again since the day they had first turned it on.

But something was different.

They had been feeling an inner restlessness since the day the TV had moved into their house and they had switched it on.

They thought about things they had never thought about before.

Things they hadn't even known about before.As if a virus had first infected their hut and then their heads.

They kept thinking about what they had seen, and they couldn't get it out of their heads.Over time, it even got worse and they searched for answers to their questions.

So they moved the chairs in front of the TV again and switched it on again.This time they sat in front of the TV for much longer and not only watched the pictures, they also listened to what was being said. People in smart suits talked about disasters, threats, dangers and wars.Pretty women predicted the weather.

Shortly afterwards, they saw people who had much more than they did.These people were pretty, wore fine clothes, ate delicious food, drove not only in big cars but also flew in airplanes.Some traveled across the ocean in huge ships.After a much longer time in front of the television, they switched it off again. It was getting late, too late to sit on the veranda and hold hands and watch the stars in the sky.

Their nights had changed.

They used to sleep soundly, now they dreamed about what they had seen.

They got up in the morning and talked about what they had seen on TV the night before. While working, the woman thought a lot about the beautiful women who never had to work like her. She looked at her hands, which were marked from the hard work, and compared them with the hands of the women she had seen on TV.Suddenly she felt ashamed of her hands.The man also thought about what he had seen on TV. About the men who had these beautiful women at their side, who drove big cars and didn't prune banana plants like he did.Suddenly he no longer enjoyed his work.

They were sitting together at dinner when suddenly the sentence that had been hovering like a cloud over the hut for days was uttered:"The world is unfair.Look at us.We've been sitting here in a hut on a small hill in the middle of a huge banana plantation for years, working all our lives for what? Look at the others!How well off they are, what they have. Look what we have..."

In the evening, he looked at his wife and at the same time saw the women he had seen on television and thought that they were much prettier than his own wife.

So they fell asleep, slept badly, dreamed badly, thought a lot.

By now, they were spending every evening in front of the TV.

They watched the same thing over and over again. Evening after evening, then even during the day, and at some point the TV was only switched off at night when they went to bed tired. There was a lot of reporting and talking on this set. Smart people talked about all sorts of things. The couple argued about it afterwards because everyone had a different opinion. They watched movies about rich people, about poor people, about distant worlds, about other galaxies, about extraterrestrial beings, wars in the world outside, even wars in other galaxies.

They saw so many things they didn't own that they could buy, saw beautiful movies about nature and others where nature was destroyed.The more they saw, the more dissatisfied and confused they became.They wanted to be part of this world, to get something from it, to live like it. They were afraid that a war might come to them too.They thought about their business partner of many years, who must have always cheated them, because their bananas were worth much more than what he had given them.They thought about the bulldozers that cut down forests to create huge areas to grow corn and palm oil.They thought about nuclear power, wind power, cars, beautiful women and beautiful men, about sex, thinking about everything they had never thought about before.

Their heads were fuller than ever before.

Their hearts were full of envy and anger, and love no longer found a place in their hearts.

They argued and the veranda became deserted.

One day...

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