Kotlina400
Fotos, Karten und Daten findet ihr auf Ride with Gps
Was für ein Moment! Ich habe das Kotlina400 Gravel Race auf dem 5. Gesamtplatz abgeschlossen. Mein Freund und Racedirektor Pawel (Piko) Pulawski und meine Frau Angela standen im Regen und empfingen mich nach 29 Stunden, 43 Minuten und 54 Sekunden Gesamtfahrzeit im Ziel an der Wataszka Baude. Es war mein erstes Gravel-Rennen und es war hart. Nicht weil es mein erstes Gravel-Rennen war, sondern weil es wirklich hart war. Die 405 Kilometer lange Strecke mit knapp 10.000 Höhenmetern und bis auf ein paar Kilometer Asphalt ausschließlich unwegsames Gelände in den polnischen Sudeten bei Temperaturen über 30 Grad Celsius waren eine Herausforderung. Der letzte Kilometer war besonders schlimm. Ein Gewitter zog auf, und ich war froh, den letzten von unzähligen Bergen hinter mir zu lassen. Drei Kilometer ging es zum Ziel bergauf. Steile drei Kilometer. Es donnerte, und vereinzelte Regentropfen fielen auf meinen überhitzten Körper. Dann öffnete sich auf dem letzten Kilometer der Himmel, und ein Starkregen spülte den ganzen Dreck von meinem Körper, der sich auf 400 Kilometern förmlich eingebrannt hatte. Es war einer der schönsten Starkregen, die ich erlebt habe, und ich kenne Starkregen, da ich einige Jahre in Brasilien gelebt habe. In den letzten Jahren hat mich Piko schon ein paar Mal im Ziel in die Arme genommen, aber dieses Mal war es etwas ganz Besonderes. Es hatte einen magischen Zauber. Ich spürte seine Freude über mein Finish und die tiefen Gefühle einer Freundschaft, die über Jahre hinweg gewachsen ist.
Gibt es etwas Schöneres, als ein Rennen zu beenden und von den Menschen in Empfang genommen
zu werden, die man liebt?
Wie war das Rennen?
Ich war dabei. Das erste Mal „Kotlina400“, ein Gravel-Rennen in den unendlichen Weiten der
Sudeten. Hügel, Berge, Täler und wenig Zivilisation. Racedirektor Piko hat ein paar Jahre an der
Strecke gearbeitet, und was er erschaffen hat, ist etwas ganz Besonderes.
Richtig genießen konnte ich es nicht, da mir das Rennen keine Minute Erholung gönnte und meine
hundertprozentige Konzentration abverlangte, bergan und erst recht bergab.
Würde ich das Rennen in einem einzigen Satz beschreiben wollen, so würde dieser wie folgt lauten:
„Ein 400 Kilometer langes Gravel-Rennen, bestehend aus einer permanenten Mischung der
legendären „Muro di Sormano“ und den Paves von „Paris-Roubaix“.“
Start und Ziel war ein kleines polnisches Dorf Wójtowice am östlichen Abhang des
Habelschwerdter Gebirges. Fährt man in Wójtowice eine Sackgasse etwa drei Kilometer einen
steilen Berg hinauf, gelangt man an die alte Baude Wataszka. Die Baude wird seit 17 Jahren von
Sylwia bewirtschaftet und ist ein Ort, an dem man sich direkt wohlfühlt. Uraltes Bauwerk, gepaart
mit modernem Interieur.
Mein Fahrrad hatte ich im Vorfeld in Hinsicht auf die zu erwartenden steilen Anstiege und die
Länge von 400 Kilometern auf eine Übersetzung von 48/30 – 42/11 umgebaut, was eine sehr gute
Entscheidung war. Zudem hatte ich Tubeless 40-622 Schwalbe G-One Overland montiert. Ich
konnte mich noch gut an eine meiner „Race through Poland“-Teilnahmen erinnern, bei der ich 15
Platten hatte. Darauf hatte ich absolut keine Lust mehr, und die Entscheidung, Tubeless zu fahren,
war genauso richtig wie die große Übersetzung. Da es mir jedoch an Erfahrung mit TubelessLaufrädern fehlte, hatte ich wohl etwas zu viel Luft in die Reifen gepresst. Es rappelte, und in den
extrem steilen Anstiegen, meist mit losem Geröll, rutschte das Hinterrad das ein oder andere Mal
durch. Trotzdem lief es gut, und ich fühlte mich gut.
Zwei 0,75 l Trinkflaschen und einen alten Trinkrucksack sollten mich bei den sehr heißen
Temperaturen mit genügend Flüssigkeit versorgen. Ansonsten hatte ich lediglich eine kleine
Apidura-Satteltasche mit einer Regenjacke und einer dünnen Daunenjacke dabei, da ich schlecht
einschätzen konnte, wie kalt es in den Bergen in der Nacht werden würde.
Das Rennen verlief wie gewohnt: Auf die Plätze, fertig, los, und ich wurde überholt und fand mich
irgendwo im Mittelfeld wieder. Ich habe mich daran gewöhnt, dass ich überholt werde, zumindest
am Anfang. Meistens überhole ich dann irgendwann im Verlauf des Rennens.
Ich kenne meinen Körper und mein Leistungsvermögen, und in den meisten Fällen wurde ein
Rennen noch nie am Start entschieden.
Mit jedem gefahrenen Kilometer wurde es einsamer um mich herum. Es ging auf und abwärts. Es
ging auf und abwärts. Ab und zu ein Blick in die wunderschöne Landschaft, doch schnell wieder auf
den Trail, die Waldautobahn oder den Wirtschaftsweg
Ich fuhr mein Rennen, überzog selbst in den steilsten Anstiegen nicht und musste insgesamt nur
zweimal kurz mein Fahrrad schieben, weil es einfach zu steil bergauf oder bergab ging.
Eine schöne Überraschung hatte Piko für uns Fahrer und Fahrerinnen auf der Strecke geplant, und
so mussten wir einmal einen schönen, langen Singletrack fahren. Trotz der Strapazen machte diese
Abfahrt besonders viel Freude.
Es war heiß, und ich benötigte gegen Mittag unbedingt neue Trink- und Essensvorräte.
Ich kann euch nicht sagen, wie die Stadt heißt, in der ich direkt an einem Supermarkt vorbeikam.
Ich musste an meinen Freund Adam Bialek denken und seine extrem kurzen Pausenzeiten. Wir
waren eine Woche zuvor noch gemeinsam eine längere Tour gefahren, und als ich an der Tankstelle
noch an der Kasse stand, wartete er schon komplett versorgt vor der Tür. Also rein, alles, was ich
brauche, so schnell wie möglich kaufen und wieder los. Soll heißen: Zwei Trinkflaschen mit einem
Mix aus Lipton Eistee und Coca Cola befüllen, die Trinkblase mit Wasser füllen, Snickers und
Mars-Riegel verstauen, währenddessen etwas Essbares in sich hinein stopfen, einen halben Liter
Wasser hinterher schütten und zwei Eis auf dem Rad essen. Geht doch! Danke, Adam, mein
Pausengott.
Der Tag verlief ereignislos, und es bildete sich eine Gruppe von drei Fahrern um mich herum, denen
ich immer wieder begegnete. Entweder überholte ich sie oder sie mich. Am Nachmittag benötigte
ich noch einmal Vorräte für die Nacht und legte einen weiteren Stopp an einem „Sklep“
(Minimarkt) ein. Hier traf ich dann auch zwei der drei Fahrer, die nach mir den Laden betraten. Der
Stopp dauerte nicht lang, und mein Highlight war ein eiskaltes alkoholfreies Bier.
So fuhr ich vollgetankt in die Nacht, und die Nacht unterschied sich nicht vom Tag. Auf und ab und
auf und ab.
Gute Sicht lieferte mir meine Supernova M99 DY Pro und als Zusatzlicht meine Lupine Piko. Die
Nacht wurde zum Tag, und selbst in den steilsten Abfahrten hatte ich eine gute Sicht.
Das wohl beste Erlebnis der Nacht war eine Fahrt durch meterhohes Gras. Erst traute ich meinen
Augen beim Betrachten des Tracks nicht. Was? Da entlang? Okay Arno. Stelle dir einen
Wirtschaftsweg vor und fahre genau dort, wo du eine Spur erwartest. Ein abgefahrenes Gefühl, aber
es hat funktioniert. Nach dieser Aktion befürchtete ich jedoch, dass mein ganzer Körper von Zecken
übersät wäre (war er zum Glück nicht).
Gegen zwei Uhr in der Nacht verspürte ich eine leichte Müdigkeit. Die ständig hohe Konzentration
und die Hitze hinterließen Spuren im Körper und im Kopf. Ich kenne diesen Zustand und
normalerweise fahre ich einfach weiter. Dieses Mal hatte ich jedoch einen anderen Plan. Ich hielt an
einer Bushaltestelle an und legte mich auf die Bank. Es war noch immer sehr warm, ich stellte
meinen Timer auf 30 Minuten und schlief wie immer innerhalb von Sekunden ein. 30 Minuten
später wurde ich vom Timer geweckt. Während ich meinen gefühlt 100. Snickers-Riegel verspeiste,
rollte ein Fahrer an der Bushaltestelle vorbei.
Gut erholt setzte ich meine Fahrt fort, und der Sonnenaufgang ließ nicht lange auf sich warten. Ich
war stimmig mit meiner Entscheidung der kurzen Pause. Als erstes sah ich den Fahrer, der mich
zuvor noch überholt hatte, schlafend an einer Bushaltestelle. Ein paar Kilometer weiter sah ich
einen weiteren Fahrer in eine goldene Notfalldecke eingerollt auf einer Bank schlafen.
Um 5:30 Uhr morgens war ich zwar frisch, aber meine Trinkflaschen und mein Trinkrucksack
waren komplett leer. Ich kam in ein Dorf und wusste, dass dies die letzte Chance für lange Zeit war,
etwas zu trinken zu besorgen. Ein Blick auf Google Maps und ja, die einzige Tankstelle weit und
breit hatte natürlich geschlossen. Genau in diesem Moment sah ich, wie gesagt es war 5:30 Uhr
morgens, einen Mann und eine Frau, die an einem Neubau arbeiteten. Ich stoppte und fragte nach ...
Water? Aqua?
Zum Glück funktioniert die Sprache mit Händen und Füßen überall, und ich zeigte auf meine
Flaschen und meinen Trinkrucksack. Ah, Water, antwortete die Frau, nahm meinen Trinkrucksack,
rannte über die leere Dorfstraße in ein Haus und kam nach ein paar Minuten mit voller Trinkblase
wieder. Ich war überglücklich und bedankte mich für die schnelle Hilfe.
Auf den letzten 100 Kilometern wurde es noch einmal sehr bergig und sehr holprig. In den
Abfahrten wackelte alles, und meine Unterarmmuskulatur wurde stark beansprucht. Hier startete ich
den vorsichtigen Versuch, den Luftdruck an meinen Reifen zu verringern, und siehe da, es fuhr sich
merklich besser. Ich weiß nicht, mit welchem Luftdruck ich jetzt fuhr, aber es fühlte sich viel besser
an, und bergauf hatte ich mehr Traktion am Hinterrad. Ich war glücklich und musste ein wenig über
mich selbst lachen. Was bin ich doch für ein Trottel, dachte ich mir. Hätte ich doch mal früher ...
aber so ist das. Ich habe mit den Jahren gelernt, die Dinge einfach zu akzeptieren. Die
Vergangenheit kann man nicht ändern und jeglicher Gedanke darüber ist reine Zeitverschwendung.
Aus Fehlern lernen, heißt meine Devise.
Ich erreichte bei 330 Kilometern den höchsten Punkt des Rennens. Die Śnieżnik-Hütte auf 1.218 m
ü. M. Hier traf ich einen Fahrer, der gerade dabei war, ein Rührei zu essen. Ich kaufte lediglich kurz
noch einmal etwas zu trinken und freute mich auf das Essen im Ziel.
In der folgenden Abfahrt verfuhr ich mich. Auf meinem Navi sah ich den Track etwas versetzt
neben meiner aktuellen Position und dachte, dass es am schlechten GPS-Empfang läge, aber nach
einer Weile und einem Blick auf die Climb-Seite musste ich feststellen, dass ich falsch gefahren
war. Ich fuhr bergab und hätte bergauf fahren müssen. 1,4 Kilometer. Ich wendete und fuhr den
Berg wieder hinauf. Stell dir einfach vor, es wäre ein Teil der Strecke, sagte ich mir, und so kam erst
gar keine Wut über meinen Fahrfehler auf.
Der Kilometerzähler tickte nur sehr langsam, aber ich näherte mich immer mehr dem Ziel
. Ich
zählte noch drei Anstiege, und da war er dann: Der letzte richtige Berg. Jagodna Północna auf 985
m ü. M., gespickt mit einem Aussichtsturm.
Jetzt ging es 12 Kilometer bergab, aber es blieb keine Minute der Erholung. Steine, loses Geröll,
Rillen und Querungen zierten einmal mehr die Abfahrt. Unten angekommen, brauchte ich, obwohl
ich so kurz vor dem Ziel war, noch einmal Energie und kaufte an einem Angelteich an einem Kiosk
zwei Flaschen Cola.
Was folgte, war eine sehr schlechte Straße in Richtung Wójtowice und der finale Anstieg zur
Wataszka Baude.
Der Rest ist Geschichte. Was für ein Moment!
Zum Schluss noch eine kleine Anekdote.
Am Abend unterhielt ich mich mit Piko. Ich sagte ihm, dass das Rennen meiner Meinung nach
einem Mountainbike-Rennen glich, anstatt einem Gravel-Rennen.
Piko lachte und sagte, dass er es als Gravel-Rennen sehe. „Arno, ich war beim ersten Atlas
Mountain Race dabei,“ und griff zu seinem Handy und zeigte mir Fotos von ausgetrockneten
Flussbetten und extrem steilen Pässen in unwegsamem Gelände. „Arno, das bin ich mit einem
Gravel-Rad gefahren, weil ich nicht wusste, was mich erwartet.“ An einer Stelle, erzählte er, habe er
den Veranstalter (einen Freund von ihm) angerufen und sein Leid geklagt, worauf der Veranstalter
fragte: „Piko, ist etwas passiert?“ Er erzählte weiter, dass er über sich selbst lachen musste. Es war
nichts passiert. Es war nur hart.
Special thanks for the wonderful photos to:
PAWEŁ RZEPECKI
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MAŁGORZATA MICHALIK (BITE OF ME)
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